Die schrittweise Migration vom klassischen IPv4-Netz zum modernen IPv6-Internet bringt zahlreiche technische Herausforderungen mit sich. Zwei zentrale Konzepte helfen dabei, die Kluft zwischen den Protokollen zu überbrücken: IPv4-mapped IPv6-Adressen und IPv4-embedded IPv6-Adressen. Beide ermöglichen die Einbindung von IPv4-Adressen in den IPv6-Adressraum – allerdings mit grundlegend unterschiedlicher Funktion und Zielsetzung.
Während IPv4-mapped-Adressen primär in Dual-Stack-Systemen zur Vereinfachung der Host-Kommunikation verwendet werden, dienen IPv4-embedded-Adressen der algorithmischen Übersetzung in NAT64-Umgebungen und sind für die Weiterleitung in IPv6-Netzen geeignet.
Dual Stack
Dual-Stack bezeichnet den gleichzeitigen Betrieb von IPv4 und IPv6 auf einem Gerät oder in einem Netzwerk. Es ist eine Übergangstechnologie, die es ermöglicht, beide Internetprotokolle parallel zu nutzen – ein essenzieller Schritt auf dem Weg zur vollständigen IPv6-Migration.
Es ermöglicht Geräten, gleichzeitig IPv4- und IPv6-Adressen zu verwenden und mit beiden Protokolltypen zu kommunizieren.
Vorteile von Dual-Stack:
- Kompatibilität: Geräte und Dienste, die nur IPv4 oder nur IPv6 unterstützen, können weiterhin erreicht werden.
- Flexibilität: Netzwerkadministratoren können Dienste schrittweise auf IPv6 umstellen, ohne IPv4 sofort abschalten zu müssen.
- Zukunftssicherheit: Bereitet Netzwerke auf die IPv6-Ära vor, ohne bestehende Infrastruktur zu gefährden.
NAT64
NAT64 ist ein Übersetzungsmechanismus, der es Geräten mit ausschließlich IPv6-Konnektivität ermöglicht, mit IPv4-only Servern zu kommunizieren. Es ist eine Schlüsseltechnologie für Netzwerke, die IPv6 bevorzugen, aber weiterhin auf Inhalte und Dienste im IPv4-Netzwerk zugreifen müssen.
Adressübersetzung:
IPv6-Adressen enthalten eine eingebettete IPv4-Adresse – z. B. 64:ff9b::192.0.2.33.Der NAT64-Router erkennt diese Struktur und wandelt das Paket in ein IPv4-Paket um.
Paketweiterleitung:
Das IPv4-Paket wird an den Zielserver gesendet. Die Antwort wird vom NAT64-Router wieder in ein IPv6-Paket übersetzt und zurück an den Client geschickt.
Zustandsverwaltung (Stateful NAT64):
Der Router merkt sich, welcher IPv6-Client mit welchem IPv4-Server kommuniziert – inklusive Ports. So kann er Antworten korrekt zuordnen.
Abgrenzung
Merkmal |
IPv4-mapped (::ffff:) |
IPv4-embedded (64:ff9b::) |
Zweck |
Lokale Darstellung für Hosts |
Übersetzung via NAT64 |
RFC |
RFC 4291 |
RFC 6052 |
Routingfähig |
❌ Nein |
✅ Ja |
Einsatzgebiet |
Dual-Stack-Hosts |
IPv6-only Netze mit NAT64 |
Beispieladresse |
::ffff:203.0.113.45 |
64:ff9b::203.0.113.45 |
IPv4-mapped in IPv6
Struktur und Darstellung
IPv4-mapped IPv6-Adressen nutzen den Adressbereich ::ffff:0:0/96. Die ersten 96 Bit sind fest und lauten in hexadezimaler Schreibweise:
0000:0000:0000:0000:0000:ffff
Die letzten 32 Bit enthalten die native IPv4-Adresse:
(z. B. 192.0.2.128 → ::ffff:192.0.2.128)
Bitlängen
Bit-Offset | |
Länge (Bit) | |
Inhalt |
0–95 |
96 |
::ffff:0:0 (Präfix) |
96–127 |
32 |
IPv4-Adresse (Suffix) |
Textuelle Notation
Vollständig ausgeformt:
0000:0000:0000:0000:0000:ffff:c000:0280
Komprimiert (RFC 5952-Konform):
::ffff:192.0.2.128
Es wird empfohlen, die letzten 32 Bit stets im IPv4-Dotted-Decimal-Format anzugeben. Das IPv4-Dotted-Decimal-Format ist die gebräuchlichste Schreibweise für IPv4-Adressen. Es stellt die 32-Bit-Adresse in vier Gruppen zu je 8 Bit dar – sogenannte Oktette – die als Dezimalzahlen zwischen 0 und 255 geschrieben und durch Punkte getrennt werden.
Funktion
IPv4-mapped IPv6-Adressen (::ffff:<IPv4>) sind speziell dafür konzipiert, lokal auf einem Host verwendet zu werden – etwa im Betriebssystem oder in Anwendungen, die IPv6-Sockets nutzen. Sie sind nicht für die Weiterleitung im IPv6-Netzwerk vorgesehen und dürfen nicht geroutet werden.
Ein Socket ist ein virtueller Kommunikationsendpunkt, über den zwei Programme – meist auf unterschiedlichen Rechnern – Daten über ein Netzwerk austauschen können. Er verbindet eine IP-Adresse mit einem Port und bildet damit die Grundlage für Netzwerkprotokolle wie TCP oder UDP.
- Der Adressbereich ::ffff:0:0/96 ist reserviert für interne Zwecke und wird von Routern im IPv6-Internet nicht weitergeleitet.
- Diese Adressen sind nicht global eindeutig und besitzen keine Struktur, die für Routing erforderlich wäre.
- Sie dienen ausschließlich der lokalen Darstellung von IPv4-Adressen im IPv6-Format – etwa in Logdateien, Monitoring-Tools oder API-Rückgaben.
IPv4-embedded in IPv6
Struktur und Darstellung
Bitlängen
IPv4-embedded IPv6-Adressen ermöglichen die algorithmische Übersetzung zwischen IPv6-only Clients und IPv4-only Servern. Sie sind in RFC 6052 definiert und betten eine 32-Bit-IPv4-Adresse in einem vorgegebenen IPv6-Präfix ein, wobei die restlichen Bits reserviert und auf Null gesetzt werden müssen.
- Ein IPv6-Präfix variabler Länge n (z. B. 64 Bit für das Well-Known-Prefix 64:ff9b::/96)
- Direkt anschließend die 32 Bit der eingebetteten IPv4-Adresse
- Der verbleibende Teil (128 – n – 32 Bit) sind Suffixbits, die auf Null gesetzt sein müssen
Textuelle Notation
Die Adresse wird in der üblichen IPv6-Hexnotation dargestellt. Bei einem /96-Präfix (z. B. NAT64-Well-Known-Prefix) folgt nach den ersten 96 Bits direkt die IPv4-Adresse im Dotted-Decimal-Format.
Beispiel mit dem Well-Known-Prefix 64:ff9b::/96:
64:ff9b::192.0.2.33
Hier repräsentiert 192.0.2.33 die hinteren 32 Bits. Es wird somit auch bei einer IPv4-embedded-Adresse auf die Dotted-Decimal-Notation zurückgegriffen.
Beispiele für verschiedene Präfixlängen:
IPv6-Präfix |
IPv4-Adresse |
Ergebnis in komprimierter Form |
2001:db8::/32 |
192.0.2.33 |
2001:db8:c000:221:: |
2001:db8:100::/40 |
192.0.2.33 |
2001:db8:1c0:2:2100:: |
2001:db8:122::/48 |
192.0.2.33 |
2001:db8:122:c000:221:: |
2001:db8:122:300::/56 |
192.0.2.33 |
2001:db8:122:3c0:0:221:: |
2001:db8:122:344::/64 |
192.0.2.33 |
2001:db8:122:344:c002:2100:: |
2001:db8:122:344::/96 |
192.0.2.33 |
2001:db8:122:344::192.0.2.33 |
In allen Fällen werden die Suffixbits nach der IPv4-Adresse ignoriert und sind auf Null gesetzt.
Funktion
IPv4-embedded-IPv6-Adressen verankern eine native 32-Bit-IPv4-Adresse in einem definierten IPv6-Präfix (beispielsweise 64:ff9b::/96) und ermöglichen so eine algorithmische Adressübersetzung durch NAT64-Gateways. Da sie als reguläre IPv6-Adressen routbar sind, werden sie auf OSI-Layer 3 verarbeitet: Ein NAT64-Router erkennt das Präfix, extrahiert die eingebettete IPv4-Adresse und wandelt IPv6-Pakete in IPv4-Pakete um – und umgekehrt. Typische Einsatzszenarien sind:
- Mobilfunknetze, in denen Endgeräte nur IPv6 sprechen, das Kernnetz aber IPv4-basiert ist.
- Internet-Provider, die per Stateful NAT64 IPv4-Adressen sparen möchten.
- Unternehmensnetzwerke, die weiterhin Legacy-IPv4-Dienste anbieten und gleichzeitig auf IPv6 migrieren.